Bericht zur 31. IPO in Olympia, Griechenland
11. bis 14. Mai 2023
von Mia Schwarcz
Olympia, Griechenland. Um die 100 SchülerInnen aus 50 verschiedenen Ländern sitzen in einem großen Lesesaal und tippen in ihre Computer. Nach vier Stunden sind sie fertig und werden wieder entlassen. Falls Sie dachten, das wäre alles, was auf der IPO passiert, kann ich Ihnen gratulieren, niedrige Erwartungen werden den Überraschungseffekt verstärken, wenn Sie lesen, was dort noch alles los war. Zunächst sollten Sie wissen, wovon hier überhaupt die Rede ist, und zwar geht es im folgenden Bericht um die Internationale Philosophieolympiade 2023, die in diesem Jahr in Olympia stattgefunden hat. Jedes teilnehmende Land schickt zwei Schüler:innen, die bei der IPO einen Essay schreiben. Diesmal waren das meine Freundin Melissa (die ich schon von den Auswahlrunden kannte) und ich mit Heribert Reich und Anton Polzhofer, die im Lehrer:innenteam dabei waren.
Es ging direkt am Tag nach meiner Französisch-Matura los und wir flogen gemeinsam nach Athen, wo wir eine Gruppe anderer Schüler:innen, Lehrer:innen und Volunteers trafen, mit denen es weiter nach Olympia ging. Unsere Gruppe füllte einen ganzen Bus, obwohl wir noch lange nicht alle waren, die anderen kamen nach oder warteten schon im Hotel. Die lange Busfahrt eignete sich gut, um erste, neue Freundschaften zu schließen. Wenn man aus so unterschiedlichen Ländern kommt, gibt es einiges zu erzählen. Wir bekamen tolle Namenskärtchen, auf denen praktischerweise auch die Flagge des eigenen Landes abgebildet war. Es war beim Bundeswettbewerb schon schwer gewesen, sich alle Namen zu merken, mit 70 Leuten mehr und den verschiedenen Ländern ist das dann schon ein anderes Level an Gedächtnistraining.
Bei der IPO erwartete uns volles Programm, beginnend mit einer dreistündigen Eröffnungszeremonie, die unsere Geduld eventuell ein wenig auf die Probe stellte, aber insgesamt sehr unterhaltsam war, besonders, weil sie damit begann, dass die Schüler:innen nach Ländern geordnet in den Lesesaal kommen sollten, und weil Melissa und mich diese Information zu spät erreichte, schummelten wir uns bei der Schweiz dazu, was niemandem wirklich aufzufallen schien. Darauf folgten Reden von verschiedensten Philosophieprofessoren. Am Abend war noch eine kleine Party für uns Schüler:innen geplant, und die Stimmung war immer nett und es war toll, so viele Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen auf diese Weise kennenlernen zu können. An den nächsten Tagen hatten wir Ausflüge zu kulturell interessanten Orten, zum Beispiel dem, wo die olympischen Spiele abgehalten wurden oder zum Apollontempel und in ein Museum. Begleitet wurden diese Ausflüge von Führerinnen. An den Abenden hatten wir meistens noch Vorträge, die sehr unterschiedlich waren, aber einige davon besonders gut. Es war nicht immer nur ein Zuhören, sondern oft (in den besten Fällen) interaktiv gestaltet, so dass ein Diskurs entstehen konnte.
An jedem Abend gab es die Möglichkeit, sich gemeinsam irgendwo hinzusetzen, zu unterhalten oder in dem riesigen Garten inklusive Sportplatz, der zu unserem Hotel gehörte, spazieren zu gehen. Es war wirklich traurig, als der letzte Tag kam und wir uns verabschieden mussten. Man erwartet es nicht, aber innerhalb dieser vier Tage findet man Freund:innen für immer, Freund:innen, die man am liebsten jeden Tag sehen würde, wenn sie nicht ein paar hundert Kilometer entfernt leben würden. Man möchte nicht ins eigene Land zurück, weil man nicht weiß, wann oder ob man sie irgendwann wieder sehen wird.
Ich glaube, für die meisten ist die IPO eines der Erlebnisse im Leben, die sie zu ihren besten überhaupt zählen werden. Es geht nämlich nicht nur ums Essayschreiben. Vielleicht sind Sie jetzt ein bisschen verwundert, jedenfalls hoffe ich das sehr, denn wie Aristoteles schreibt, ist es die Verwunderung, aus der Philosophie entsteht.
Wien, im Juni 2023