Anna Morandini: In Sokrates' Fußstapfen. Die Internationale Philosophieolympiade


Ihr seid philosophisch interessiert, kritische Denker oder schreibt gerne? Lasst euch in eine ganz neue Welt mitreißen!

Fremde gibt es nicht, nur Freunde, die man noch nicht kennengelernt hat. Es ist wohl diese Weisheit, die mir am stärksten in Erinnerung bleiben wird. Denn wer hätte - als er Freitagabend unseren bunt zusammengewürfelten Haufen an jungen PhilosophInnen aus aller Welt in mitten eines nahezu babylonisch anmutenden Sprachgewirrs beim vorsichtigen Herantasten und Kennenlernen beobachtet konnte - wer hätte da angenommen, dass wir uns innerhalb von vier Tagen zu einer so eingeschworenen Gruppe entwickeln würden, deren Abschied nicht nur in Tränen sondern auch in der Planung eines baldigen Wiedersehens seinen Höhepunkt finden würde.

Österreichs JungphilosophInnen

Aber kehren wir zurück zum Beginn der Geschichte. Alles nahm seinen Anfang mit der Bitte meiner Philosophieprofessorin, einen philosophischen Essay zu einem von vier Zitaten zu verfassen. In Folge setzte sich mein Text nicht nur in der schulinternen Auswahl durch, sondern belegte auch im Landeswettbewerb der Steiermark den ersten Platz. Daher durfte ich gemeinsam mit 24 anderen SchülerInnen aus Österreich und Südtirol, deren Essays sich in den Landeswettbewerben in einem Gesamtteilnehmerfeld von 1215 Essays durchsetzen konnten, am Bundeswettbewerb in Salzburg teilnehmen. Die als Philolympics bekannte Veranstaltung bot uns neben philosophischen Vorträgen von UniversitätsprofessorInnen vor allem Zeit zum gemeinsamen Philosophieren. Egal ob zur Definition von Kunst oder zur Frage nach der Rationalität von Religionen – die Teilnehmer beeindruckten durch Wissen, klar strukturierte Gedankengänge und überzeugende Formulierungen. Diese Eigenschaften waren dann auch beim eigentlichen Herzstück des Wettbewerbs gefragt: dem Essayschreiben. Die TeilnehmerInnen hatten vier Stunden Zeit um erneut einen Essay zu einem von vier vorgegebenen philosophischen Zitaten zu verfassen. „Sie fragen, als ob das Leben ein Rätsel wäre, das man lösen könnte. Der Sinn des Lebens ist zu leben. Wir sind in die Welt geworfen, es gibt keine alternative Geschichte.“, war meine Wahl. Der Sieg ging mit folgendem Essay an den Wiener David Lovric, der als Preis eine Teilnahme am Philosophicum in Lech erhielt. Doch irgendwie waren wir alle Gewinner, war die ganze Veranstaltung für uns doch eine enorme Bereicherung.

Grenzenlose Philosophie

Für David und mich war dies allerdings nicht das Ende des philosophischen Abenteuers, sondern vielmehr der Beginn, durften wir doch Österreich bei der 24. Internationalen Philosophie Olympiade (IPO) in Belgien vertreten. Unter dem Thema „Krieg und Frieden“ fand sie von 12.5 – 15.5 in Gent statt. Vertreten waren 44 Nationen aus aller Welt mit je zwei TeilnehmerInnen. Der erste Abend, das erste Kennenlernen war es, das wie eingangs beschrieben vonstattenging. Sprachengewirr und eine ganz besondere Atmosphäre. Was alle TeilnehmerInnen verband war die Liebe zur Philosophie, die sich in einer offen-aufgeschlossenen Geisteshaltung sowie dem Hang zu intellektuellen Diskussionen manifestierte. Und so sollte jeder einzelne von uns in den nächsten Tagen nicht nur viel über andere Länder erfahren, sondern vor allem philosophische Debatten führen. Denn egal ob Roni aus Israel, die vor ihrem Studium erst zwei Jahre Militärdienst abzuleisten hat, Drishtti aus Indien, die einen Poesieblog führt und den Unterschied zwischen den immer menschenreichen indischen und viel ruhigeren belgischen Gassen hervorhob oder meine aus einem dänischen Fischerdorf stammende Zimmerkollegin Rikke – für uns alle war die IPO eine Blase außerhalb unseres gewöhnlichen Alltagslebens, die es uns erlaubte mit ähnlich interessierten Menschen der ganzen Welt Freundschaften zu schließen. „Statt zu fragen ob ich lese, fragten mich die anderen TeilnehmerInnen was mir gefällt“, fasste die Belgierin Rafaela die gemeinsame Wellenlänge in Worte. „Jederzeit konnte eine philosophische Diskussion ausbrechen, geführt mit derartiger Offenheit und derartigem Tiefgang, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte.“

Was bleibt

Es waren diese Gespräche, die uns junge PhilosophInnen über alle Sprach- und Länderbarrieren hinweg in so kurzer Zeit zusammenwachsen ließen. Einen Teil der gemeinsam verbrachten Zeit nahm auch der eigentliche Wettbewerb ein. In vier Stunden war in einer Fremdsprache zu einem philosophischen Zitat ein Essay zu verfassen, die Gewinner wurden in der Abschlusszeremonie gekürt. Die Goldmedaillen gingen dabei nach Südkorea und in die Türkei, ich konnte mit meinem Essay eine „honourable mention“-Auszeichnung erringen. Ein schöner Erfolg - doch ganz dem olympischen Gedanken entsprechend, war dabei sein allein für uns TeilnehmerInnen wohl wirklich alles. An diesem für uns einmaligen Erlebnis teilhalben zu dürfen wird uns allen immer in Erinnerung bleiben, nicht zuletzt durch den bestehenbleibenden Kontakt zu unseren neugewonnenen Freunden aus aller Welt - ein Wiedersehen ist schon in Planung!

Macht mit!

Dies war der Versuch ein Erlebnisse in Worte zu fassen, das andere TeilnehmerInnen als schlicht unbeschreibbar bezeichnet haben. Dank gilt all jenen Menschen jeglicher Nationalität die diese und ähnliche Veranstaltungen durch ihr persönliches Engagement erst ermöglichen und uns Jugendlichen so eine unfassbare Gelegenheit bieten! Alle interessierten SchülerInnen möchte noch einmal auf die Philolympics aufmerksam machen. Lasst euch nicht davon abhalten, dass ihr vielleicht über kein allzu großes philosophisches Wissen verfügt (wenn doch, umso besser!) - ich hatte zu Beginn der Bewerbe noch kein halbes Jahr an Philosophieunterricht besucht und von einigen Philosophen, die andere zitierten noch nicht einmal gehört. Dies ist kein Grund sich vom Abenteuer, das Philolympics wie IPO für mich gewiss waren, fernhalten zu lassen, geht es doch ums selbst Philosophieren!

Informationen zur IPO

Die Internationale Philosophie Olympiade findet seit 1993 statt. Österreich nimmt seit 2005 teil und war Gastgeberland der Veranstaltung im Jahr 2011. Die IPO kooperiert mit der der FISP (Fédération Internationale des Sociétés de Philosophie) und der UNESCO. Zu ihren Zielen zählen der intellektuelle Austausch über die nationalen Grenzen hinweg sowie die Ermutigung zum kritischen und weltoffenen Denken, mit Blick auf die Probleme der gegenwärtigen Welt. Österreichs TeilnehmerInnen konnten bereits mehrere Silber- und Bronzemedaillen erringen.

Die Autorin hat diesen Text auch auf dem Österreichischen Jugendportal veröffentlicht.