Bericht zur IPO 2011
Von Macht und Ohnmacht der Philosophie:
Das war die Internationale Philosophieolympiade 2011 in Wien
Der internationale Essaywettbewerbs für Schülerinnen und Schüler des
Unterrichtsgegenstands Philosophie wurde 2011 zum ersten Mal in Österreich
ausgetragen. Jugendliche aus 29 Ländern wandelten auf den Spuren nicht nur der
großen Wiener Philosophen und stellten dabei argumentatives Geschick,
gedankliche Tiefe und Originalität unter Beweis. Angelehnt an die Zitate,
von denen auch die Essays der TeilnehmerInnen ihren Ausgang nahmen, möchte der
folgende Bericht einen kleinen Eindruck von dieser gelungenen Veranstaltung
vermitteln.
Seit 1993 findet jährlich ein internationaler Essaywettbewerb statt, der
weltweit das Interesse von Schülerinnen und Schülern an Philosophie und
kritischer Reflexion, aber auf diesem Wege auch die Völkerverständigung und eine
Kultur der Friedens fördern soll: die Internationale Philosophieolympiade, kurz
IPO. Was als kleine Initiative sechs europäischer Länder begann, steht
mittlerweile unter der Schirmherrschaft der UNESCO. Zur 19. IPO, die von 26. bis
29. Mai 2011 in Wien stattfand, entsandten heuer bereits 29 Länder – von
Argentinien bis Japan – jeweils zwei Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwischen 15
und 19 Jahren. Österreich übernahm bei der bisher größten Internationalen
Philosophieolympiade auch zum ersten Mal die Rolle des Gastgebers.
Dass dies möglich war, ist vor allem dem unermüdlichen Einsatz des
Organisationsteams um Franz Pöll zu verdanken, der 2005 die Philosophieolympiade
nach Österreich brachte und seither auch jedes Jahr den Bundeswettbewerb
organisiert. Entsprechend dem Generalthema „Macht und Ohnmacht der Philosophie“
blieb die größte Sorge bis zum Schluss die Finanzierung der Veranstaltung, denn
wenn es an Geld fehlt, helfen auch die zündendsten Ideen und das größte
Engagement nur wenig. Tatsächlich ist die IPO aus diesem Grund der einzige
Schülerwettbewerb, dessen Finale hierzulande stattfinden kann; für eine
internationale Physik- oder Mathematikolympiade wäre das österreichische Budget
schlicht zu klein. An dieser Stelle sei deshalb auch dem Bildungsministerium,
sowie den Bundesländern und Sponsoren gedankt, mit deren Unterstützung die
Olympiade schließlich realisiert werden konnte.
„So sind die unterschiedlichen Grenzen und Funktionen von Vernunft und Geschmack leicht zu bestimmen. Die erstere liefert die Erkenntnis von Wahrheit und Falschheit; die letztere gibt uns das Gefühl von Schönheit und Hässlichkeit, von Laster und Tugend.“
Untersuchung über die Prinzipien der Moral)
Vier Stunden hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am ersten Vormittag Zeit, um ausgehend von einem der erwähnten Zitate einen philosophischen Essay zu verfassen. Dieser eigentliche Wettbewerb, bei dem argumentatives Geschick und ausgereifte Gedanken, also Vernunft und Verstand gefragt waren, machte aber nur einen kleinen Teil der Veranstaltung aus. Mindestens ebenso wichtig war den Organisatoren, die Jugendlichen zur Diskussion und zum gegenseitigen Austausch anzuregen und ihnen Erfahrungen und Eindrücke zu ermöglichen, an die sie sich später gerne erinnern würden. Dazu gehörten etwa eine Führung durch die historische Wiener Innenstadt und als gemeinsamer Abschluss ein Abend auf der Gloriette im Schlosspark von Schönbrunn. Aber auch ein motiviertes junges Team von ehemaligen TeilnehmerInnen der österreichischen Olympiaden, die den Jugendlichen rund um die Uhr als Ansprechpersonen zur Verfügung standen und bis spät in die Nacht begleiteten, trug zur allgemein guten Stimmung bei.
„Wer lernt aber nicht denkt, ist verloren; wer denkt aber nicht lernt, ist in Gefahr.“
Letzeres zu verhindern, um auch in Zukunft gefahrlos weiter zu philosophieren, wurde durch die Zusammenarbeit mit versierten PhilosophInnen der Universität Wien möglich. So eröffnete Richard Heinrich vom Institut für Philosophie Wien die Veranstaltung, die drei Tage später von Clemens Sedmak (Universität Salzburg, King’s College London) mit einem virtuosen Vortrag über Macht, Nutzen und Ohnmacht der Philosophie beschlossen wurde. Franz Martin Wimmer, einer der Begründer einer fundierten interkulturellen Philosophie, konnte ebenfalls für einen Vortrag gewonnen werden. Dazwischen organisierten DozentInnen und StudentInnen des Philosophieinstituts Wien Workshops und Themenspaziergänge für alle teilnehmenden SchülerInnen und LehrerInnen. Vor allem in den Workshops stellten die Jugendlichen sowohl argumentativ als auch inhaltlich ein beeindruckend hohes Niveau und mitunter auch differenziertes Vorwissen unter Beweis (wer sich davon überzeugen möchte, dem sei die Lektüre der ausgezeichneten Essays auf der Seite www.ipo2011.at empfohlen). Das Spektrum der besprochenen Problemstellungen reichte von Edmund Husserls Europabegriff über die Rolle von Intuition in der Wissenschaft, dem Wert von Wahrheit und Wissen im Allgemeinen bis hin zum Subversiven in der Philosophie am Beispiel des kontroversiellen Denkers Slavoj Žižek.
„Kunst ist keine Kopie der wirklichen Welt - eins von den verdammten Dingern reicht”
Von dieser Feststellung inspiriert, machte sich eine Gruppe von Jugendlichen auf die Suche nach der Kunst im Wirklichen und Alltäglichen und dokumentierte Street Art und Graffiti auf den Straßen Wiens. Andere warfen einen Blick hinter die Kulissen der Wiener Volksoper oder in die wohl philosophischste aller Wiener Kulturinstitutionen: das Kaffeehaus. Den Lehrerinnen und Lehrern wurde Wien indes in Spaziergängen auf den Spuren Ludwig Wittgensteins, des Wiener Kreis und Sigmund Freuds, aber auch der „Unibrennt“-Bewegung 2009 nähergebracht. Manchen hat das alles so gut gefallen, dass sie gleich beschlossen, im nächsten Urlaub mit der ganzen Familie nach Wien zu kommen.
Um noch einmal auf das eingangs erwähnte Fragment von Demokrit zurückzukommen: Ob wir, die diese Philosophieolympiade erlebt haben –
die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, ihre Begleiterinnen und Begleiter und
schließlich das Organisationsteam – dadurch weise(r) geworden sind, sei
dahingestellt. Fest steht aber, dass sich die Welt für uns tatsächlich ein Stück
weit geöffnet hat: Vieles, was vorher fremd erschien, hat mit den gewonnenen
Freundschaften und Erfahrungen ein Gesicht bekommen, denn die guten Seelen und
mit ihnen die Philosophie sind tatsächlich überall zuhause. Einmal die Dynamik
und Energie von sechzig aufgeschlossenen und engagierten Jugendlichen zu
erleben, bereichert zudem ungemein - darin waren sich alle Beteiligten einig.
Über die Goldmedaille für den besten Essay durfte sich übrigens Nikolaj Møller
aus Dänemark freuen; er brillierte mit einem Aufsatz zur Philosophie David Humes.
Weitere Medaillen gingen an Teilnehmer aus Korea, Portugal, Deutschland,
Finnland und Griechenland. Aus der österreichischen Delegation wurden Franziska
Bahl (BG Blumenstraße, Bregenz), Vanessa Gstrein und Patrick Mokre (beide Sir
Karl Popper-Schule, Wien) jeweils mit einer „Honorable Mention“ ausgezeichnet.
Die zwanzigste Internationale Philosophieolympiade wird im Mai 2012 unter dem
Titel „Die Grenzen der Freiheit“ in Oslo stattfinden. Schon das brisante Thema
zeigt, dass Veranstaltungen dieser Art immer mehr an Aktualität und Bedeutung
gewinnen. Wir wünschen unseren norwegischen KollegInnen daher gutes Gelingen und viel Unterstützung und hoffen auf umso regere Beteiligung an der
österreichischen Bundesolympiade 2012.
Die Essays der Preisträger, sowie ausführliche Informationen zur IPO sind nachzulesen unter:
www.ipo2011.at
Alle Informationen zum österreichischen Bundeswettbewerb:
www.philolympics.at